Die Korrektur schiefer Zähne durch Zahnspangen und verwandte Hilfsmittel ist ein Riesengeschäft – bei der Behandlung von Kindern wie auch bei Erwachsenen. Grund genug, einmal einen Blick auf die Möglichkeiten zu werfen.
Interessanter Fakt vorneweg: Rund 25 % aller Kinder weisen ein anatomisch korrektes Milchgebiss auf, in der Wechselphase zum bleibenden Gebiss ist das jedoch nur noch bei 7,3 % der Fall. Auch beim bleibenden Gebiss stellt sich die Situation nicht wesentlich besser da, denn nur 22 % aller Erwachsenen zwischen dem 20. und 49. Lebensjahr haben ein nahezu regelrechtes Gebiss. Abweichungen der Kiefer-und Zahnstellung sollten somit frühzeitig erkannt und entsprechend korrigiert werden. Das zuständige medizinische Fachgebiet ist die Kieferorthopädie mit ihren Möglichkeiten zur Zahnkorrektur und Kieferkorrektur.
Zeitpunkt kieferorthopädischer Maßnahmen
Die Kieferorthopädie beschäftigt sich mit einfachen Zahnstellungsanomalien bis hin zu schweren Kieferdeformitäten, die die normale Funktion des Gebisses erheblich beeinträchtigen können. Unterschieden werden angeborene Fehlstellungen, die überwiegend genetisch bedingt sind sowie sekundäre Formen, die zum Beispiel durch Rachitis oder einen vorzeitigen Milchzahnverlust ausgelöst werden. Auch wenn keine schweren Zahnfehlstellungen und Kieferdeformierungen auf den ersten Blick erkennbar sind, sollten alle Kinder im 3. Lebensjahr zahnärztlich untersucht werden, damit auch leichte oder sich anbahnende Anomalien, die zum Beispiel durch Lutschunarten, Zungen- oder Lippenfehlfunktionen entstehen können, erkannt und frühzeitig beseitigt werden können.
Kieferorthopädische Frühbehandlungen sind sinnvoll, um die Entwicklung von Fehlfunktionen und Wachstumsbeeinträchtigungen des kindlichen Gebisses von vorneherein zu verhindern. In einfachen Fällen kann der Hauszahnarzt regulierend eingreifen, bei komplizierten Anomalien oder wenn ein umfangreiches apparatives Eingreifen erforderlich ist, ist die Vorstellung bei einem Kieferorthopäden erforderlich, der dann eine Behandlung mit Brackets oder nicht-festen Zahnspangen startet. In seltenen, extremen Fällen muss unter Umständen zunächst der Abschluss des Wachstums abgewartet werden, damit eine kombinierte kieferorthopädisch-kieferchirurgische Behandlung, gegebenenfalls mit Unterstützung durch Logopäden und Physiotherapeuten, erfolgen kann.
Da nur die wenigsten Kinder im Alter von 3 Jahren einem Zahnarzt vorgestellt werden, werden die meisten Zahnfehlstellungen und/oder Kieferanomalien ab dem 11. Lebensjahr kieferorthopädisch behandelt.
Beim Erwachsenen sind Zahnstellungsanomalien nicht nur auf eine fehlende oder insuffiziente kieferorthopädische Behandlung im Kindesalter zurückzuführen, sie können sich auch durch Änderungen der Gebiss- und Gesichtsform nach Abschluss der Wachstumsphase entwickeln. Krankhafte Zahnwanderungen sind im Erwachsenenalter auch infolge Veränderungen und Erkrankungen des Zahnhalteapparates nicht selten wie zum Beispiel durch eine Parodontose. Auch ästhetische Ansprüche an das eigene Gebiss können sich natürlich im Laufe des Lebens verändern.
Kieferorthopädische Behandlungen, die Zahn- und Kieferfehlstellungen beseitigen sollen, können technisch gesehen während des gesamten Lebens durchgeführt werden. Vorzugsweise sollten die Korrekturen jedoch im Kindes- und Jugendalter erfolgen. Die Korrektur von reinen Zahnfehlstellungen setzt nämlich voraus, dass die Zähne fest im Kieferknochen verankert sind, was im fortgeschrittenen Alter nicht mehr unbedingt der Fall ist. Die Beseitigung von Kieferfehlstellungen gelingt umso einfacher, je weicher und flexibler der Knochen ist. Mit zunehmendem Alter verliert der Knochen seine Flexibilität, was Korrekturen zwar nicht unmöglich macht, sind beim Erwachsenen dann jedoch wesentlich langwieriger als bei Kindern. Korrekturmaßnahmen können bereits nach wenigen Monaten zum Erfolg führen, je nach Befund und insbesondere im Erwachsenenalter aber auch mehrere Jahre in Anspruch nehmen, bis ein stabiles, funktionell einwandfreies und ästhetisch ansprechendes Ergebnis erzielt wird.
Wann ist eine Zahnregulierung durch Zahnspangen erforderlich?
Eine Zahnregulierung durch Zahnspangen oder Zahnklammern ist immer dann indiziert, wenn es durch Fehlstellungen der Zähne zu einer Beeinträchtigung der Kaufunktion kommt. Infolge der Fehlstellungen werden nicht nur die Zähne ungleichmäßig belastet, auch die Kaumuskeln werden unregelmäßig beansprucht und es können sich im Laufe der Zeit Probleme mit den Kiefergelenken ergeben. Das kann wiederum zu Muskelverspannungen im Nackenbereich, Kopfschmerzen und vegetativ bedingt zu hartnäckigen Ohrgeräuschen, dem sogenannten Tinnitus, führen. Zahnfehlstellungen können auch zu Problemen bei der Mundhygiene verursachen, nämlich dann, wenn Schmutznischen mit der herkömmlichen Zahnbürste nicht mehr erreichbar sind, Zahnbeläge, Karies und Zahnfleischentzündungen entstehen. Grobe Zahnfehlstellungen können zudem auch das Selbstwertgefühl beeinträchtigen.
Welche Arten von Zahnspangen gibt es?
Bei den Zahnspangen kann man zwei große Gruppen unterscheiden, herausnehmbare und festsitzende Apparaturen. Zu den herausnehmbaren Spangen gehören die sogenannten aktiven Platten, funktionskieferorthopädische Geräte und Korrekturschienen (Aligner), zu den festsitzenden verschiedene Multibracketapparaturen.
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Aktive Platten
Aktive Platten werden anhand von Kiefermodellen und Gebissabdrücken nach Vorgabe des Kieferorthopäden vom Zahntechniker angefertigt. Sie bestehen aus Kunststoff, Drahtelementen und Schrauben, der feste Sitz der Zahnspange wird durch Halteklammern aus Draht gewährleistet. Der Begriff „aktiv“ bedeutet, dass die Platten durch kontinuierlichen Druck die Zähne in eine vorgegebene Richtung bewegen und der Kiefer gedehnt wird. Somit entsteht mehr Platz für zu eng stehende Zähne und schief stehende Zähne können gerichtet werden. Durch das Ausrichten von Zähnen und Kieferknochen lässt der Druck der Spange langsam nach, sodass er in regelmäßigen Abständen vom Kieferorthopäden wieder aufgebaut werden muss, in dem die Platten an ihren Schraubelementen nachgezogen werden. Die Platten sollten etwa 15 Stunden am Tag getragen werden, in der Regel nachmittags und in der Nacht. Sie können zu den Mahlzeiten, beim Sport und während des Schulunterrichts herausgenommen werden. Zu Beginn der Behandlung kommt es meist zu leichten Problemen mit dem Sprechen, da die Zunge sich zunächst an den Fremdkörper im Mund gewöhnen muss.
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Funktionskieferorthopädische Geräte („FKO-Geräte“)
Die FKO-Geräte werden auch als Gebissregler oder Aktivatoren bezeichnet und sind dann indiziert, wenn Ober- und Unterkiefer unterschiedlich lang und die Zahnreihen beim Zusammenbeißen nicht deckungsgleich sind. Unterschieden werden zwei Gruppen an Geräten: Entweder wird ein verkürzter Kiefer langsam nach vorne bewegt oder das normale Wachstum eines Kiefers wird gebremst, bis die Zahnreihen schließlich auf gleicher Höhe stehen. Die Geräte eignen sich auch, um das Zusammenspiel der Kaumuskeln zu verbessern, was bei derartigen Kieferfehlstellungen ein zusätzliches Problem ist. Die Spangen können nur während der Wachstumsphase verwendet werden, im Normalfall zwischen dem 9. und 14. Lebensjahr. FKO-Geräte müssen 12-15 Stunden täglich getragen werden.
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Korrekturschienen (Aligner)
Die Korrekturschienen werden aus transparentem Kunststoff hergestellt, sind daher kaum sichtbar und eignen sich für Patienten, die zum Beispiel aus beruflichen Gründen keine „sichtbare“ Zahnspange tragen können. Im Gegensatz zu den vorgenannten Zahnspangen besitzen sie keine verstellbaren Elemente und müssen daher in relativ kurzen Abständen, meist alle 2 – 3 Wochen, gegen neue Schienen ausgetauscht werden, um den Korrektureffekt weiter aufrechtzuerhalten. Zu Beginn der Behandlung erfolgen zunächst die Bestandsaufnahme der Zahnfehlstellung sowie die computergestützte Berechnung der Zwischenschritte, die benötigt werden, um das gewünschte Korrekturergebnis zu erreichen. Bei einem Behandlungszeitraum von 18 Monaten können das bis zu 36 Zwischenschritte mit entsprechend vielen Schienen sein. Korrekturschienen können rund um die Uhr getragen werden, zu den Mahlzeiten und zur Zahnreinigung werden sie problemlos herausgenommen.
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Multibracketapparaturen
Die so genannten Multibracketapparaturen eignen sich zur Korrektur von Zahnfehlstellungen in jedem Alter und werden aus allen möglichen Materialien hergestellt, aus Edelstahl, Titan, Kunststoff oder transparenten Keramik. Brackets werden sorgfältig angepasst auf die Zähne aufgeklebt und mit einem Draht, dem sogenannten Bogen, verbunden, der die Zähne in die gewünschte Korrekturposition drückt. Sobald der erste Draht sein Ziel erreicht hat, muss er gegen einen neuen vorgespannten Draht ersetzt werden. Im Verlaufe einer Behandlung sind in nahezu allen Fällen mehrfache Bogenwechsel erforderlich. Einfache Metallbrackets sind deutlich sichtbar, es gibt jedoch die Möglichkeit, zahnfarbenes Keramikmaterial und teflonbeschichtete Drähte zu verwenden, was optisch wesentlich unauffälliger ist, in der Regel aber private Zuzahlungen erfordert.
Die Vorteile der Bracketkonstruktionen bestehen in der Möglichkeit, jeden einzelnen Zahn in dreidimensionalen Bewegungen in die richtige Position zu bringen sowie eine verkürzte Behandlungsdauer infolge der ununterbrochenen Tragezeit. Der Mundinnenraum wird durch die außen auf den Zähnen angebrachte Apparatur nicht beeinträchtigt, sodass das Sprechen nur zu Beginn der Behandlung etwas problematisch ist. Viele Eltern sehen einen weiteren Vorteil in festsitzenden Montagen, es entfällt nämlich die lästige Kontrolle, ob ihre Kinder bei der Tragezeit eventuell mogeln.
Die Brackets haben jedoch auch Nachteile wie zum Beispiel eine sehr sorgfältige Zahnpflege, die mehrmals täglich durchgeführt werden muss, um die vielen Ecken und Nischen der Apparatur von Speiseresten zu befreien. Wird die Zahnhygiene vernachlässigt, können sich Zahnfleischentzündungen und Karies entwickeln. Nach dem Aufsetzen der Brackets sind Schmerzen in den ersten Tagen nahezu die Regel, können bei empfindlichen Personen auch einige Wochen anhalten. In dieser Phase ist schmerzfreies Kauen meist nicht möglich. Reizungen der Mundschleimhaut kommen häufig vor. Festsitzend bedeutet, dass die Apparatur zu keinem Zeitpunkt herausgenommen werden kann, was von vielen Patienten unterschätzt und spätestens dann zum Problem wird, wenn zum Beispiel ein Bewerbungsfoto fällig ist, auf dem man freundlich lächeln möchte. Auch bei geschlossenem Mund sind Zahnspangen häufig zur erahnen. Gelegentlich kann es zu allergischen Reaktionen auf Metalllegierungen kommen, was eine Entfernun g der Apparatur erforderlich macht. Auch fehlerhafte Behandlungen können zu einem großen Problem werden, nämlich dann, wenn durch einen zu stark vorgespannten Bogen die Zahnbewegungen zu abrupt sind und es zu Schädigungen der Zahnwurzeln kommt. Ist die Behandlung beendet und die Brackets können wieder abgenommen werden, müssen die Kleberreste von der Zahnoberfläche sorgfältig entfernt und abgeschliffen werden, da Reste die Entstehung von Bakterienherden begünstigen und zu Irritationen des Zahnfleisches mit Entzündungen und Blutungen verursachen.
Kostenübernahme bei der Behandlung mit Zahnspangen
Kieferorthopädische Behandlungen sind sehr kostenintensiv und so kann sich für die Behandlung von Zahn- und Kieferfehlstellungen schnell ein Betrag von mehreren 1000 € anhäufen. Gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Behandlungskosten dann, wenn der Behandlungsbeginn vor dem 18. Lebensjahr liegt. Im Erwachsenenalter müssen die Betroffenen die Kosten in aller Regel selbst tragen, Ausnahmen werden nur bei extremen Kieferfehlstellungen gemacht. Auch bei Privatversicherten ist die komplette Kostenübernahme für eine kieferorthopädische Behandlung nicht so ohne Weiteres selbstverständlich. Versicherte sollten vor dem Beginn der Behandlung immer klären, inwiefern die Kosten erstattet werden.