Die Anzahl der Diabetikerinnen und Diabetiker in Deutschland steigt rasant. Sind es momentan noch rund 7,2 Prozent der Bevölkerung, so könnte es vor allem beim am häufigsten auftretenden Typ-2-Diabetes bis 2040 bereits zu einem Anstieg auf 15 Prozent kommen, was knapp 12 Millionen Menschen entspräche. Dies prognostizieren zumindest die Wissenschaftler des Deutschen Diabetes Zentrum (DDZ) sowie des Robert-Koch-Instituts (RKI). Was aber ist dran an dieser Prognose?
Komplexe Berechnungsmethode prognostiziert Anstieg um 77 Prozent
Diabetes mellitus ist eine Zivilisationskrankheit. Zwar spielen in epidemiologischer Hinsicht auch genetische Faktoren eine Rolle, doch scheinen Lebensstilfaktoren eine nicht minder gewichtige Ursache für die Entstehung und Entwicklung von Diabetes zu sein. So kann eine deutliche Gewichtszunahme das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, bereits um das 5- bis 10-fache erhöhen. Eine zuckerreiche Ernährung (siehe auch Sich zuckerärmer ernähren) und wenig Bewegung kommen erschwerend hinzu.
Auch beim Typ-1-Diabetes sind genetische Faktoren relevant, jedoch sind hier die tatsächlichen Ursachen (bzw. Ursachenkomplexe) noch weitgehend unbekannt. Im Gegensatz zum Typ-2-Diabetes, bei dem die Muskel-, Leber- und Fettzellen eine Insulinresistenz entwickeln, stellt beim Typ-1-Diabetes die Bauchspeicheldrüse die Insulinproduktion ein, sodass das Hormon fortan intravenös verabreicht werden muss. Insulin ist das Hormon, welches für den Zuckerabtransport im Körper verantwortlich ist. Menschen mit Diabetes müssen regelmäßig ihre Blutzuckerwerte mit Hilfe eines Blutzuckermessgerätes kontrollieren.
Die Dunkelziffer ist bei Diabeteserkrankungen recht hoch, denn besonders im Anfangsstadium macht sich die Krankheit noch kaum bemerkbar. Momentan sind rund 6 Millionen Menschen in Deutschland an Diabetes erkrankt. Die meisten von ihnen leiden am Typ-2-Diabetes. Auf der Basis von Daten von 65 Millionen gesetzlich Versicherten haben das DDZ sowie das RKI nun in einem aufwendigen Rechenverfahren hochgerechnet, dass die Zahl der am Typ-2 erkrankten Menschen zwischen 2015 und 2040 voraussichtlich um ganze 77 Prozent ansteigen wird. In der aktuellen Hochrechnung wurden dabei erstmalig mehrere Variablen gleichzeitig korreliert, sodass die Prognosen dieses Mal genauer ausgefallen sein sollen. Gefördert wurde die Hochrechnungsstudie durch das Bundesministerium für Gesundheit.
Wie verlässlich sind die Hochrechnungen zur Typ-2-Diabetes?
Berücksichtigt wurden dieses Mal vor allem drei Variablen: Die Krankheitshäufigkeit (Prävalenz) zum gegenwärtigen Zeitpunkt, die Anzahl der neu auftretenden Diabeteserkrankungen in einem bestimmten Zeitraum (Inzidenzrate) sowie die Sterblichkeitsraten bei Menschen mit und ohne Diabetes (diabetesbezogene Mortalitätsrate). So weiß man beispielsweise, dass der Typ-2-Diabetes vor allem bei älteren Menschen auftritt. Und weil es künftig mehr ältere Menschen geben wird, kann man auch davon ausgehen, dass die Diabetesraten steigen werden. Zudem geht man davon aus, dass in Zukunft aufgrund besserer Behandlungsmethoden weniger Menschen mit Diabetes frühzeitig sterben werden, was wiederum auf eine Erhöhung der künftigen Diabetesfallzahlen schließen lässt. Schließlich müssen auch die Neuerkrankungszahlen miteinbezogen werden, die maßgeblich durch Lebensstilfaktoren, wie zu wenig Bewegung oder schlechte Ernährung, beeinflusst werden.
Die Verlässlichkeit dieser Prognose darf jedenfalls nicht unkritisch betrachtet werden. Denn wer kann schon sagen, was in knapp 20 Jahren der Fall sein wird? Vielleicht werden sich künftig ja mehr Menschen gesund ernähren und Sport treiben? Wichtige Anhaltspunkte liefert eine solche Voraussage aber sicherlich dennoch, wenn es darum geht, die Versorgung und Behandlung von Diabetespatienten und -patientinnen langfristig zu verbessern.